Am Kunststoffmarkt zu bestehen, war im vergangenen Jahr für viele Unternehmen herausfordernd. Stabilität scheint nicht in Sicht. Eine Wachstumschance mag im ganzheitlichen Ansatz liegen – darin, sich zusammenzuschließen und Teil der treibenden Kraft zu werden, die die Zukunft der Branche nachhaltig formt. Mit fünf Fragen an Yvonne van der Laan, EVP Circular & Low Carbon Solutions bei LyondellBasell, haben wir um eine Einschätzung der Aussichten gebeten:
Wie geht es der Kunststoff-Branche aktuell?
„Die Kunststoffindustrie bewegt sich derzeit in einem komplexen Umfeld aus Herausforderungen und Chancen. Wir stehen unter erheblichem Druck durch Umweltvorschriften, sich ändernde Verbraucherpräferenzen und den dringenden Bedarf an nachhaltigeren Lösungen. Während die Branche mit wirtschaftlichen Unsicherheiten, hohen Energiepreisen und Unterbrechungen der Lieferkette zu kämpfen hat, wächst auch die Erkenntnis, dass Innovation und die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft für unsere Zukunft von entscheidender Bedeutung sind.“
Wie wirken sich diese Entwicklungen und Erkenntnisse konkret auf die Kreislaufwirtschaft aus?
„Die aktuelle Branchendynamik beschleunigt unseren Übergang zu einer kreislauforientierten Wirtschaft. Unternehmen wie LyondellBasell konzentrieren sich zunehmend auf die Entwicklung fortschrittlicher Recyclingtechnologien, die Schaffung neuer Geschäftsmodelle, wie unsere integrierte Hub-Strategie in Köln und Houston, die dem Materialrecycling Priorität einräumt, und Investitionen in Infrastrukturen, die geschlossene Materialkreisläufe unterstützen. Wir bewegen uns weg von den traditionellen linearen Produktions- und Entsorgungsmodellen hin zu einem stärker integrierten Ansatz, der Kunststoff als wertvolle Ressource betrachtet, die kontinuierlich recycelt und wiederverwendet werden kann.“
Welche Anforderungen ergeben sich aus diesem integrierten Kunststoff-Recycling?
„Die Anforderungen, die sich aus diesen Veränderungen in der Branche ergeben, sind vielfältig. Erstens brauchen wir bedeutende technologische Innovationen bei Recyclingprozessen. Das bedeutet, dass effizientere mechanische und chemische Recyclingtechnologien entwickelt werden müssen, die komplexe Kunststoffströme verarbeiten können. Aber auch alternative Recyclingtechnologien, wie das lösungsmittelbasierte Recycling, sind gefragt. Zweitens brauchen wir eine solide Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von den Herstellern bis zu den Abfallentsorgungsunternehmen, einschließlich der Markeninhaber und Verbraucher. Drittens brauchen wir unterstützende politische Rahmenbedingungen, die Anreize für kreislauforientiertes Design, Recyclinginvestitionen und eine nachhaltige Materialnutzung schaffen.“
Welche Trends wird der Kunststoffmarkt in den kommenden Jahren entwickeln?
„Ich glaube es gibt mehrere wichtige Trends. Wir werden einen anhaltenden Trend zu biobasierten und recycelten Inhaltsstoffen in der Kunststoffproduktion erleben. Fortschrittliche Recyclingtechnologien werden weiterentwickelt und verfeinert, sodass wir Kunststoffe verarbeiten können, die normalerweise verbrannt werden. Es wird verstärkt in chemische Recyclingtechnologien investiert, mit denen Kunststoffe in ihre molekularen Bestandteile zerlegt werden können, um eine echte Materialregeneration zu ermöglichen. Darüber hinaus werden wir robustere Rückverfolgungs- und Zertifizierungssysteme sehen, um die Nachhaltigkeit von Kunststoffmaterialien zu überprüfen. Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft wird auch eng mit der dringenden Notwendigkeit kohlenstoffarmer Lösungen verbunden sein.“
Was wünschen Sie sich für das Kunststoff-Recycling in der Zukunft?
„Meine Vision ist ein umfassendes, integriertes Recycling-Ökosystem. Ich wünsche mir eine Infrastruktur, die das Recycling so bequem und zugänglich wie möglich macht, mit standardisierten Sammel- und Verarbeitungssystemen. Wir müssen weiterhin in Technologien investieren, die gemischte und verunreinigte Kunststoffabfälle verarbeiten können. Darüber hinaus freue ich mich auf eine Zukunft, in der Recycling nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch ein wirtschaftlich attraktives Angebot für alle Beteiligten ist. Das bedeutet, dass Märkte für recycelte Materialien entwickelt, wirtschaftliche Anreize für das Recycling geschaffen und ein kultureller Wandel gefördert werden muss, bei dem die Kreislaufwirtschaft die Norm und nicht die Ausnahme ist.“