1. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) gilt als Wirtschaftsmodell der Zukunft. Können Sie uns dieses Modell genauer erklären?
Wir leben in einer Welt, wo fossile Grundstoffe zunehmend limitierter werden und, wie man in der aktuellen politischen Diskussion mit Russland sieht, auch immer mehr zum missbräuchlichen Politikum werden. Der Konsum steigt stetig und durch den Bevölkerungswachstum und das Konsumverhalten konzentrieren sich die unterschiedlichen Abfallarten.
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft setzt im ersten Schritt damit an, so wenig Abfälle wie möglich zu produzieren und schon in der Produktentwicklung an die spätere Nutzungsdauer, sprich „end of life“ zu denken. In der Praxis bedeutet dies, dass Produkte so gestaltet werden müssen, dass sie im Lebenszyklus eine lange Nutzungsdauer haben und aus Sekundärrohstoffen bestehen. Hat dieses Produkt den so genannten „end of life“ erreicht, sorgen das recyclingfähige Design, die Materialwahl und die Ausgestaltung des Produktes dafür, in einem erschlossenem Erfassungs- und Recyclingsystem werkstofflich wiederverwertet zu werden. So wird aus einem alten Produkt, wieder ein neues mit einer möglichst optimalen Ökobilanz.
2. Immer wieder bekommt man zu hören, dass die lineare Wirtschaft ausgedient hat. Wie schätzen Sie das ein?
Grundsätzlich können wir diese Annahme bestätigen, nur fordert der Wandel einer linearen Wirtschaft, hinzu einer Kreislaufwirtschaft viel Einsatz bei allen Akteuren, Kommittent und auch politische Weichenstellungen. Am Ende geht das nicht ohne weitreichende Investitionen und auch gesetzliche Verpflichtungen. Kreislaufwirtschaft braucht Infrastruktur, angefangen von der Produktentwicklung, bis hin zur Ausgestaltung von Erfassungs-, Sortier- und Recyclingsystemen. In einigen Ländern sind wir diesem Ziel schon sehr nahe, in anderen Ländern stehen wir hier aber ganz am Anfang. Der einzige Weg, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern und uns global zu einer ressourcenschonenden Wirtschaft hinzuentwickeln, funktioniert nur in dem Modell der Kreislaufwirtschaft.
3. Das Wirtschaftsmodell Circular Economy wird immer als nachhaltig betitelt. Auf welche Weise fördert die Circular Economy die Ressourcenschonung und wie erhöht sie die Wertschöpfung?
Natürlich ist dieser Transformationsprozess mit Kosten und auch Herausforderungen verbunden. Aber wir erleben auch, dass sowohl das Zugeständnis bei den Herstellern als auch die Investitionsbereitschaft bei Banken, Private Equity Fonds und Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft da ist. Es ist ein gutes Invest, denn durch eine funktionierende Kreislaufwirtschaft können werthaltige Sekundärrohstoffe in die Industrie zurückgeführt werden. Materialien, spezielle Kunststoffe, die aufgrund der gesetzlichen Anforderungen zur Erhöhung der Einsatzquoten von Sekundärrohstoffen in der EU in der Zukunft zwingend gebraucht werden. Das senkt den Einsatz von fossil erzeugten Neuwaren, zum Beispiel beim Kunststoff. Dieser Prozess spart enorme Mengen an CO2 ein und fördert den Weg hin zu einer ordnungsgemäßen Verwertung, statt der Deponierung von Abfällen.
4. Die Liste von den Einsatzmöglichkeiten des Modells ist lang. Wie können Unternehmen die Circular Economy im eigenen Unternehmen integrieren?
Angefangen von der Beschaffung über die täglichen Prozesse, bis hin zur Reflektion des gesamten Geschäftsmodelles. Wichtig ist die Einbindung der Mitarbeiter/innen und die klare Kommunikation mit dem Team. Gerade in Unternehmen fängt vieles mit einer klaren Kommunikation an, und hat großen Einfluss auf den Erfolg. Kreislaufwirtschaft bedeutet in Ressourcen zu denken und zu handeln. Das fängt beim Konsumverhalten an und geht mit sinnvollen und einfachen Erfassungssystemen weiter.
5. Know-How, Fördermöglichkeiten und Praxisanwendung unterstützen die Umsetzung von zirkulären Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Welche Chancen bietet das vor allem für KMU und wie können diese von dem Wirtschaftsmodell profitieren?
Die Differenzierung und Entscheidungsfindung bei Produkten und Dienstleistungen wird immer stärker auf Basis von Nachhaltigkeit getroffen. Selbst in der Personalakquise ist die Nachhaltigkeit von Unternehmen ein wichtiger Faktor für Bewerber/innen geworden. KMUs haben die Stärke der Geschwindigkeit und Entscheidungsfreude, was bedeutet, dass zirkuläre Mechanismen schnell als Chance erkannt und umgesetzt werden können. Das führt zu einem direkten Wettbewerbsvorteil und kann sogar zu einem Geschäftsmodell werden. Der bessere und vor allem transparentere Zugang zu Fördermitteln ist hier sicher noch ausbaufähig.
6. Viele denken, dass Nachhaltigkeit immer an einen hohen Preis geknüpft ist. Wie wird die Circular Economy finanziert und ist das Stigma, dass Nachhaltigkeit hohe Kosten mit sich bringt, wirklich wahr?
Kreislaufwirtschaft bedeutet auch Investitionen und Innovationen. Hier gibt es keinen pauschalisierten ROI. Zusammenfassend lässt sich aber ganz klar subsummieren, dass die Transformation hin zu einer Circular Economy sowohl ein Gewinn für die Umwelt ist als auch klare wirtschaftliche Vorteile für die Teilnehmer bietet. Hier schließen sich ökologische und ökonomische Hebel keineswegs aus. Die Finanzierung solcher Transformationen sollte immer unter Einbindung der Produzentenverantwortung erfolgen, sogenannter EPR Systeme. Das sichert die Finanzierung und den daraus entstehenden Sekundärrohstoffen den Zugang in den Markt und schafft die nötige Transparenz für Verbraucher und Gesetzgeber gleichermaßen. Ohne diese Verpflichtungen sind Investitionen oft schwierig zu besichern.